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Zwei Geschwister leiden unter kohlartigem Körpergeruch – warum, weiß niemand. Die Familie wendet sich ans Universitätsklinikum Freiburg. Nach 20 Jahren Forschung entschlüsseln die Forscher die Ursache – die viele Menschen betreffen könnte.

Faulig-schwefeligen Körpergeruch begleiten einen Jungen und seine jüngere Schwester seit ihrer Geburt. Darum wendet sich die Familie vor rund 20 Jahren an die Stoffwechselambulanz der Klinik für Allgemeine Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Freiburg. Professor Dr. Karl Otfried Schwab, damals Leiter der Sprechstunden für Stoffwechsel-, Hormon- und Zuckererkrankungen an dieser Klinik, untersucht die Kinder ausführlich. Zusammen mit Prof. Dr. Jörn Oliver Sass, damals Leiter des Stoffwechsellabors des Universitätsklinikums Freiburg und heute Professor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, schloss er alle bis dato bekannten Ursachen für einen unangenehmen Körpergeruch aus. Erst jetzt, gut 20 Jahre später, haben sie gemeinsam mit Kollegen aus Europa und den USA eine Ursache für den Körpergeruch identifiziert. Mehr als 80.000 Menschen könnten davon weltweit betroffen sein. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Zeitschrift Nature Genetics online veröffentlicht.

Unangenehmer Körpergeruch ist für die Betroffenen sehr belastend. Eine eindeutige Diagnose kann helfen, damit umzugehen.

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Ursache für kohlartigen fauligen Körpergeruch geklärt – Forscher der Uniklinik Freiburg erfolgreich

Bei anhaltendem Mundgeruch zum Zahnarzt

In mehr als 90 Prozent der Fälle entsteht unangenehmer Atemgeruch im Mund durch bakterielle Zersetzungs- oder Entzündungsprozesse. Meist lässt sich das Problem durch umfassende Mundhygiene in den Griff bekommen. „Wenn der Zahnarzt nicht fündig wird, sollten Betroffene Stoffwechselexperten aufsuchen. Denn hinter Mund- und Körpergeruch können auch Stoffwechselkrankheiten stecken“, rät Professor Schwab. Denn ist der Stoffwechsel gestört, es können oft bestimmte Moleküle nicht richtig abgebaut werden und sammeln sich im Körper an. Über Atemluft, Schweiß, Speichel und Harn gelangen die Stoffe nach außen und verbreiten einen unangenehmen Geruch.

Kohlartiger Körpergeruch hat genetische Ursache

Im Fall der beiden Geschwister riecht der Atem stark schwefelig nach Kohl. Die Freiburger Forscher stellen einen Kontakt zu Professor Dr. Ron Wevers und Dr. Albert Tangerman im niederländischen Nijmegen her, die in der Ausatemluft sowie in Urin- und Blutproben erhöhte Konzentrationen von Methanthiol und Dimethylsulfid ausfindig machen. Die Ursache des Abbaudefekts von Methanthiol ist aber zu diesem Zeitpunkt völlig unklar.

Darum wird am Universitätsklinikum Freiburg eine umfangreiche vergleichende Genstudie in der Familie der Betroffenen durch Professor Dr. Heymut Omran, heute am Universitätsklinikum Münster, durchgeführt. Die Forscher finden einen Erbgut-Abschnitt, auf dem sie den Fehler im Erbgut vermuten. Allerdings ließen sich dort keine bekannten menschlichen Proteine identifizieren, die eine Hemmung des Abbaus von Methanthiol hätten erklären können.

„Manche Betroffene benutzen Sprays und Parfüms und überdecken damit den Geruch. Sie wissen gar nicht, dass sie an einer Krankheit leiden.“
Professor Dr. Karl Otfried Schwab

Bakterienforscher liefert wichtigen Hinweis

Einen wesentlichen Beitrag liefert viele Jahre später ein Bakterienforscher in Nijmegen. Er zeigt zum ersten Mal, wie Methanthiol durch eine Oxidase abgebaut werden kann – in Bakterien. Beim Vergleich von bakteriellem und menschlichem Erbgut finden die Forscher schließlich das Protein, das die Stoffe im Körper abbaut. Alle Betroffenen einer holländischen, einer portugiesischen und der Freiburger Familie hatten ihre Erbgutveränderungen genau in diesem menschlichen Protein SELENBP1. „Bei den Freiburger Geschwistern und weiteren Betroffenen war dieses Protein nicht oder fast nicht funktionsfähig. Deshalb sammelten sich die schwelfelhaltigen Stoffe im Körper an und führten zum dem unangenehmen Geruch“, erklärt Professor Schwab.

Weltweit möglicherweise mehr als 80.000 Menschen betroffen

Die Forscher gehen davon aus, dass etwa einer von 90.000 Menschen weltweit den Erbdefekt in sich trägt. Das entspräche mehr als 80.000 Betroffenen weltweit. Weshalb die Krankheit bislang erst bei fünf Menschen festgestellt wurde, kann unterschiedliche Gründe haben. „Vielleicht gibt es weitere Abbauwege für diese Schwefelstoffe, die wir bisher nicht kennen. Manche Betroffene benutzen Sprays und Parfüms und überdecken damit den Geruch, sie wissen gar nicht, dass sie an einer Krankheit leiden“, sagt Professor Schwab.

Ob der Erbdefekt negative Auswirkungen auf die Entwicklung betroffener Kinder hat, ist derzeit unklar ebenso wie die Rolle des Proteins SELENBP1 bei der Tumorentstehung und bei chronischen Entzündungsprozessen. Hier ergeben sich in der Zukunft gegebenenfalls neue Aspekte und Sichtweisen.

Ernährungsumstellung kann helfen

Bislang können Betroffene die unangenehmen Symptome durch eine Ernährungsumstellung in den Griff kriegen. „Wir hoffen natürlich, dass unsere Forschung dazu beiträgt, auch irgendwann eine medikamentöse Therapie zu entwickeln. Aber das ist noch ein langer Weg“, sagt Professor Schwab.

Weitergehende Informationen: Uniklinik-Pädiatrisches Stoffwechselzentrum

Von BSF

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