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Bundesarbeitsgericht: Vorsicht bei Kündigungen per Einwurfeinschreiben

Höchstes deutsches Arbeitsgericht legt strenge Kriterien für Zugangsnachweis fest

Erfurt/Freiburg. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt hat in einer wegweisenden Entscheidung klargestellt, dass Arbeitgeber beim Versand von Kündigungen per Einwurfeinschreiben besonders vorsichtig sein müssen. Der bloße Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens zusammen mit dem Online-Sendungsstatus reicht nicht aus, um den Zugang einer Kündigung nachzuweisen. Diese Entscheidung aus dem Januar 2025 (Az. 2 AZR 68/24) hat weitreichende Folgen für die Praxis.

Bei Arbeitsrechtsstreitigkeiten trägt der Arbeitgeber die Beweislast für den Zugang eines Kündigungsschreibens. Der Beweis des ersten Anscheins greift bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist.

Im konkreten Fall hatte eine medizinische Fachangestellte bestritten, eine Kündigung erhalten zu haben, die der Arbeitgeber als Einwurfeinschreiben verschickt hatte. Der Arbeitgeber konnte nur den Einlieferungsbeleg und einen ausgedruckten Online-Sendungsstatus vorlegen, nach dem das Schreiben zugestellt worden sein sollte.

Das BAG stellte jedoch klar: Erforderlich für das Bestehen eines Anscheinsbeweises ist nach Auffassung des BAG mindestens, dass neben der Vorlage des Einlieferungsbeleges eines Einwurf-Einschreibens und der Darstellung seines Sendungsverlaufes jedenfalls auch die Vorlage einer Reproduktion des Auslieferungsbeleges vorgelegt werden müsse. Dieser Auslieferungsbeleg wird vom Postboten bei der Zustellung erstellt und dokumentiert die ordnungsgemäße Zustellung mit Datum, Uhrzeit und Unterschrift des Zustellers.

Interessanterweise hatte das BAG nur wenige Monate zuvor, im Juni 2024 (Az. 2 AZR 213/23), noch etwas großzügiger entschieden. Es besteht ein Beweis des ersten Anscheins, dass Bedienstete der Deutschen Post AG Briefe zu den postüblichen Zeiten zustellen. In diesem früheren Fall ging es jedoch um einen nachweislich durch einen Postbediensteten eingeworfenen Brief, während im aktuellen Fall dieser Nachweis fehlte.

Eine befragte Rechtsanwältin erklärt die Konsequenzen: „Arbeitgeber sollten bei wichtigen Schreiben wie Kündigungen nicht allein auf das Einwurfeinschreiben vertrauen. Der sicherste Weg bleibt die persönliche Übergabe unter Zeugen oder durch einen Boten, der den Einwurf protokolliert. Alternativ sollte bei Einwurfeinschreiben unbedingt eine Kopie des Auslieferungsbelegs bei der Post angefordert werden, solange dieser noch verfügbar ist.“

Die Deutsche Post AG bewahrt diese Auslieferungsbelege nur für einen begrenzten Zeitraum auf – im verhandelten Fall war die 15-monatige Aufbewahrungsfrist bereits abgelaufen, als der Arbeitgeber sie anforderte. Experten raten daher, diese Belege frühzeitig anzufordern.

Für Arbeitnehmer bedeutet das Urteil hingegen mehr Rechtssicherheit. Der vom Arbeitgeber vorgelegte Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens zusammen mit einem im Internet abgefragten Sendungsstatus genügte nicht für einen Beweis des ersten Anscheins, dass das Kündigungsschreiben dem Arbeitnehmer tatsächlich zugegangen ist.

Das oberste Arbeitsgericht unterstrich in seiner Entscheidung: Würde ein solcher Sendungsstatus, der auch die Person des Zustellers in keiner Weise kenntlich macht, für einen Anscheinsbeweis genügen, hätte der vermeintliche Empfänger der Sendung praktisch keine Möglichkeit, ihn zu erschüttern oder gar einen Gegenbeweis anzutreten.

Für die tägliche Praxis gilt daher: Kündigungen sollten entweder persönlich überreicht werden, per Boten mit Zustellprotokoll oder per Einwurfeinschreiben – wobei im letzteren Fall unbedingt der Auslieferungsbeleg anzufordern ist. Anderenfalls riskieren Arbeitgeber, dass sie im Streitfall die Zustellung nicht nachweisen können und die Kündigung unwirksam bleibt.

Von BSF

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