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Freiburg: Das Zuschauerinteresse an der gestrigen letzten Gemeinderatssitzung vor der Sommerpause war groß: Alle Besucherstühle im Bürgerhaus Zähringen waren zum Start um 15.00 Uhr besetzt, einige Zuschauer verfolgten die Sitzung im Stehen. Eine Gruppe Dietenbach-Gegner hatte auch Platz genommen um der Abstimmung im Rat beizuwohnen.

Einige Dinge konnte Martin Horn nach Absprachen im Vorfeld direkt abstimmen lassen, bei anderen Tagesordnungspunkten fühlten sich einige Politiker bemüßigt, mehr oder weniger lange Monologe zu halten, die die eigene Position erläutern sollten. OB Horn hatte im Vorfeld angereget, auch lebhaft zu diskutieren, – dennoch fühlten sich einige Gemeinderatsmitglieder wohl sicherer, wenn sie einen vorab gefertigten Text vorlasen, – was die Geduld der Zuhörer manchmal strapazierte, aber in einer Demokratie hingenommen werden muss.

Die Tagesordnungspunkte der Gemeinderatssitzung vom 24.7.2018 im Einzelnen:

Verabschiedung Gemeinderäte Evers und von Gayling-Westphal

Die beiden Gemeinderäte Patrick Evers und Nikolaus von Gayling-Westphal, die „auf eigenen Wunsch“ aus dem Gemeinderat ausscheiden, wurden für Ihre langjährige Tätigkeit im Stadtrat geehrt. Gemeinderat von Gayling-Westphal, der auf dem Gelände seines Schlosses in Ebnet lieber Ferienwohnungen baut als dringend in Freiburg benötigten Regel-Wohnraum und dies mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten begründet, bereicherte die Sitzung noch mit einer Anekdote, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt habe, weil er dazu aufgefordert habe, doch auf dem Siegesdenkmal, welches er kritisiert, herumzuklettern und dort eine Mütze aufzusetzen. Er überreichte Martin Horn ein entsprechendes Schild, welches man am Denkmal anbringen möge. Horn nahm es mit Humor und bestätigte, dass in seinem Büro dafür sicherlich Platz ist und eine Anbringung am Denkmal noch geprüft werden müsse. Stadtrat Evers erhielt einen Füller zum Abschied und machte deutlich, dass die Anlieferung von Gemeinderatsvorlagen und durchzuarbeitenden Papieren dreimal in der Woche in der Vergangenheit nicht immer für Jubelschreie gesorgt habe, er aber gerne im Gemeinderat war.

Verpflichtung Fiek und Glück

Anschließend wurden die beiden neuen Ratsmitglieder Sascha Fiek und Christoph Glück als Stadträte verpflichtet, die die Position der beiden zurückgetretenen Räte einnehmen. Sascha Fiek ist durch seine Fahrschule vielen Freiburgern bekannt, Glück ist mit Hotel und Gastronomie (Schiff/Bären) in Freiburg ebenfalls kein Unbekannter. Martin Horn freut sich, dass sich so kurz nach seinem Antritt der Gemeinderat schon verjüngt werden konnte.

Nachdem Absetzungsanträge (Änderung der Tagesordnungspunkte) vom Gemeinderat abgelehnt worden sind ging es um:

Gehalt von Martin Horn

Der Gemeinderat hat auch die Vergütung von Martin Horn beschlossen, der Oberbürgermeister ging zu diesem Tagesordnungspunkt raus, da er befangen sei. Martin Horn wurde in die Besoldungsstufe B11 eingruppiert, was nach der aktuellen Besoldungstabelle des Landes Baden-Württemberg 13.741 Euro pro Monat entspricht (plus etwaige Zulagen). Eine große Wahl hatte der Gemeinderat dabei nicht, da die Besoldung der Bürgermeister je nach Anzahl der Einwohner in Baden Württemberg bereits geregelt ist.

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Gehalt für OB Martin Horn wurde in seiner Abwesenheit genehmigt.

 

Stellenausschreibung für Stadtentwicklung

Der Gemeinderat genehmigte darüber hinaus die Ausschreibung einer Stelle für einen hauptamtlichen Beigeordneten, der auch die Bezeichnung Bürgermeister tragen darf und sich um Stadtentwicklung, Bauen, Tiefbau (mit Verkehrsplanung), Stadtgrün und Gebäudemanagement kümmern möge. Die Stelle wird zu Beginn des nächsten Jahres vakant.

Nutzung Paulussaal

Schnell durchgewunken werden konnte eine Vorlage zur Nutzung des Paulussaals durch die Stadt, in dem noch einmal festgelegt wurde, dass kirchliche Räume natürlich nicht zu Zwecken verwendet werden dürfen, die dem kirchlichen Gedanken zuwider laufen, entsprechende Richtlinien zur Nutzung des Paulussaals wurden erlassen.

Genehmigung Abschlüsse städtischer Gesellschaften

Die Abschlüsse städtischer Gesellschaften wurden auch schnell durchgewunken, darunter Theater (was der Stadt durch bemerkenswerte Fallgestaltungen in Sachen Passage 46 finanziell nicht immer Freude machte) und Stadtbau, über die Martin Horn getrennt abstimmen ließ.

Stubenareal wird teurer

Das das Stuben-Areal in St.Georgen teurer wird (statt 2 Mio nun 8,5 Mio) nickten die Gemeinderäte ab, ebenso Beschlüsse für das Waldhaus und Augustinermuseum zum Renovierungen und Umbau. Die notwendige Sanierung von Bauwerken wurde ebenfalls befürwortet.

Kindertagesstätten-Ausbau

Freiburg will mehr für Kindertagesstätten und Krippenplätze tun, plant nunmehr bis 2020 50% der Krippenplätze stellen zu können und 103% de Kitaplätze. Für einige Gemeinderatsmitglieder war neu, dass man für Kinder mit Handycap rechnerisch zwei statt einem Platz vorsehen muss, sodass auch die Zahl von 103% Sinn macht. Kritisiert wurde, dass der Alt-OB Salomon sich im Städtetag nicht für eine bessere Bezahlung der Arbeitskräfte in diesem Bereich stark gemacht habe. An ausreichend qualifizierten Arbeitskräften würde es im Moment mangeln, auch die Gewinnung von geeigneten Räumlichkeiten sei nicht einfach. Frau Stein machte deutlich, dass es wichtig wäre, insbesondere die städtischen Kitas auszubauen und nicht so sehr auf die freien Träger zu setzen. Die städtische Kindergartenbedarfplanung wurde vom Gemeinderat beschlossen.

Umbenennung Straßen

In epischer Breite nahmen mehrere Gemeinderäte Stellung zur geplanten Straßenumbenennung in Freiburg. Bereits vor Jahren habe man angeregt, Straßennamen, die durch die NS-Zeit vorbelastet sind, umzubenennen. In Freiburg betrifft dies ganze 12 Straßen. In der Gemeinderatssitzung ging es nur um zwei davon, die Gallwitz- und die Julius-Brecht-Straße. Der Rat stimmte nach wortreichen Beiträgen der Gemeinderäte darüber ab und nahm den Umbenennunsantrag schließlich an. Aus der Gallwitzstraße wird zukünftig die Matthias-Erzberger-Straße. Aus der Julius-Brecht-Straße wird die Martha-Walz-Birrer-Straße. Es wurde angeregt, zukünftig neue Straßennahmen nicht zu irre langen Wortmonstern werden zu lassen. Ob damit Frauen mit Doppelnamen diskriminiert werden, brachte gottseidank keiner der Stadträte auf den Tisch. Bei der Abstimmung gab es immerhin 14 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen.

Eine von der Stadt eingesetzt Kommission hatte die Umbenennung der folgenden 12 Straßen angeregt:

​​Alban-Stolz-Straße 
Eckerstraße
Gallwitzstraße ​
Hegarstraße​
Hindenburgstraße ​
Julius-Brecht-Straße​
Lexerstraße ​
Ludwig-Aschoff-Platz​
Ludwig-Heilmeyer-Weg ​
Martin-Heidegger-Weg​
Rennerstraße​
Sepp-Allgeier-Straße

Max von Gallwitz (1852-1937), der als Soldat verschiedene Orden bekam, galt als ausgesprochener Antisemit und war Abgeordneter der Deutschnationalen Volkspartei im Reichstag. Er ist auf dem Hauptfriedhof in Freiburg begraben worden. 1915 wurde Gallwitz zum Ehrendoktor der Uni in Freiburg und auch zum Ehrenbürger Freiburgs.

Julius Brecht (1900-1962) war ein deutscher SPD-Politiker, der aber 1937 in die NSDAP eingetreten war. Später war er in der Hamburger Bürgerschaft, ab 1957 sogar im Bundestag. Er soll sich daran beteiligt haben, jüdische Mieter aus ihren Wohnungen zu vertreiben. Er ist auf dem Kölner Melaten-Friedhof beerdigt.

 

 

 

NS-Dokumentations-Zentrum

Für ein NS-Dokumentationszentrum in Freiburg solle Geld zur Verfügung gestellt werden, man rechnet mit einem Budget von ca. 550.000 Euro, – die Stadt prüft aktuell Standorte, – das Vorhaben wurde einstimmig angenommen.

Dietenbach, die Sparkasse und 50% preiswerter Wohnraum

Emotional wurde es bei den Redebeiträgen zum neuen geplanten Stadtteil Dietenbach und dem Vorhaben, dort 50% so zu bauen, dass man preiswert dort wohnen kann. Die Stadt hat bewusst den Weg gewählt, die Landwirte und Grundstücksbesitzer nicht zu enteignen (was sie zu 15 Euro den qm könnte), sondern über eine Konstruktion mit der Sparkasse den Weg beschritten, den bisherigen Eigentümern mehr zu zahlen. Ein Landwirt, der einen Hektar (10.000qm) zur Verfügung stellt, erhält also nicht 150.000 Euro als Entschädigung, sondern ein Vielfaches davon. Die Stadt versucht auch, den Landwirten Ausgleichsflächen anzubieten, was bisher aber nur für etwas mehr als die Hälfte des Areals gelungen ist.

Angesichts der Diskussionen um einen hohen Grundwasserstand auf dem Dietenbachgelände und die dadurch notwendige Aufschüttung (damit kein Wasser in den Keller läuft), erinnerten erfahrene Ratsmitglieder daran, dass auch im benachbarten Rieselfeld aufgeschüttet werden musste, da das Gelände schräg war und das Grundwasser hoch stand. Das sei bis heute überhaupt kein Problem gewesen, – im Gegenteil: Durch die Nutzung des Geländers zur Ablagerung von Erdaushub könne man sogar zusätzliche Einnahmen generieren. Graf Kageneck von der CDU lehnte eine starre 50%-Quote sozialer Wohnungsbau ab, Stadtrat Moos betonte, dass im Baugebiet Gutleutmatten die Quote auch erreicht worden ist, – es ist also kein Ding der Unmöglichkeit. Dies habe das Mietshäusersyndikat bewiesen. Für Stirnrunzeln bei einigen Zuschauern und Gemeinderäten sorge die Rede von Stadtrat Winkler (Freiburg Lebenswert), der sich dafür aussprach, Freiburg durch den Bau von zusätzlichen Wohnungen nicht noch anziehender zu machen. Den Leuten, die eine Wohnung suchen, riet er „Man muss sich auch mal hinten anstellen können…wenn ein Konzert ausverkauft sei und es gäbe keine Karten mehr, dann sei das so….“  Ob er damit auch meinte, dass Kinder bis zum Tod der Eltern bei diesen wohnen bleiben sollen oder zwanghaft aus Freiburg wegziehen müssen, hat er nicht ausgeführt. Winkler argumentierte, dass wegen dem Klimawandel bald mehr als 1 Milliarde Menschen umziehen wollen, – da gelte es Freiburg nicht noch attraktiver zu machen und nicht noch mehr Flächen zu versiegeln. Ihm wurde entgegen gesetzt, dass der neue Stadtteil Dietenbach ja komprimiert geplant sei, dort sicherlich ökologischer gebaut werde als woanders und dass die Leute ohnehin irgendwo hin ziehen und dabei woanders viel mehr Fläche verbraucht werden würde, wenn z.B. im Umland gebaut wird.

Die Freien Wähler stehen nach Abwägung zum Stadtteil Dietenbach, als schwierig sehe man den Gedanken an, 1/3 an Baugruppen zu vergeben. Soviele Baugruppen fänden sich gar nicht oder es ständen dann doch wieder bekannte Bauträger dahinter.

Diskutiert wurde auch die Stellungnahme der Sparkasse, die darauf hinweis, dass sie nicht bereit sei, ein wirtschaftliches Risiko zu tragen und Zweifel äußerte, ob eine 50% Quote preiswerten Bauens möglich sei. Die Stadt erklärte, das Risiko ohnehin übernehmen zu wollen.

Gegen 19.41 Uhr, damit fast 5 Stunden nach Beginn der Veranstaltung wurden alle Vorlagen zu Dietenbach vom Gemeinderat angenommen. Mit 4 Gegenstimmen. Damit hat die Stadtverwaltung jetzt den Auftrag entsprechende Vorschläge auszuarbeiten und Einreichungen auf Machbarkeit zu prüfen. Auf dem Gelände sollen 6000 Wohnungen für 14.000 bis 15.000 Menschen entstehen. Bis dort die ersten Wohnungen fertig sind, werden allerdings noch mehrere Jahre ins Land gehen.

SC Stadion

Zum Fussball-Stadion des SC wurde anschließend lange und ausgiebig diskutiert, obwohl schon 2015 ein entsprechender Bürgerentscheid getroffen worden war. Die Stadt wies darauf hin, dass die Prüfung einer Spiegelvariante ca. 100.000 Euro Kosten verursacht habe, aber als nicht zielführend erkannt wurde. Man habe alle Einwände und Gegenvorschläge geprüft, in  mehreren hundert Seiten gibt es dazu Stellungnahmen und Gutachten. Stadträtin Gerlinde Schrempp konnte sich mit dem Standort wohl nicht so richtig anfreunden und wiederholte die Unfallgefahr, die allerdings durch Gutachten widerlegt wurde.

Die Stadt führte aus, dass es ohnehin nur ca. 23 Heimspiele im Jahr dort geben werde und während dieser für ein Zeitfenster von 6h aus Sicherheitsgründen der Flugverkehr auf dem benachbarten Flugfeld eingestellt wird. Dies sei eine hinnehmbare Einschränkung. Vorgebrachte Gegenargumente, dass dann in diesem Zeitpunkt etwaige dringend benötigte Organe für Organtransplantationen dort nicht landen können, wurde mit dem Hinweis auf benachbarte Flughäfen und andere Landemöglichkeiten entkräftet. So würden solche Transporte ohnehin häufig in Lahr landen. Hubschrauber-Landeplätze gebe es auch bei mehreren benachbarten Kliniken.

Graf Kageneck wies noch einmal darauf hin, das Lärmemissionen weitmöglichst vermieden werden, auch baulich und das das Gelände ohnehin schon durch Messe, Straßen und Flugverkehr Belastungen ausgesetzt sei, die durch 22-23 Tage Spieltage im Jahr nicht wesentlich vermehrt werden. Lärmende andere, zusätzliche Großveranstaltungen wolle der SC ohnehin dort nicht stattfinden lassen (wie Rockkonzerte o.ä.). Man müsse auch zur Kenntnis nehmen, dass bei der Finanzierung der SC das meiste schultern würde und anschließend noch Pacht zahle. Eine Konstruktion, die es so auch nicht oft gäbe. Auch die SPD stimmte anschließend für die Stadionpläne. Der Bebauungsplan konnte so vom Gemeinderat bei nur vier Gegenstimmen bejaht werden.

 

 

 

 

 

 

 

Von BSF

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