Freiburg-schwabentor

Wer durch die malerische Altstadt von Freiburg im Breisgau schlendert, dem begegnen unweigerlich die markanten mittelalterlichen Stadttore. Das Schwabentor – im Mittelalter auch „Obertor“ genannt – ist neben dem Martinstor eines der zwei erhaltenen historischen Stadttore und bildet bis heute ein eindrucksvolles Zeugnis der mittelalterlichen Befestigungsanlagen Freiburgs. Seine Geschichte ist geprägt von Wandel, Legenden und einer bemerkenswerten architektonischen Entwicklung durch die Jahrhunderte.

Die Entstehungsgeschichte – Ein Tor als Schutz und Symbol

Das Schwabentor wurde um 1250 errichtet und ist damit das jüngere der beiden noch erhaltenen Stadttore. Ursprünglich war es Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung und diente als östlicher Zugang zur Stadt. Seine strategische Bedeutung war nicht zu unterschätzen: Hier verlief die wichtige Handelsroute in Richtung Schwarzwald und Schwaben – daher auch sein Name.

In seiner Anfangszeit besaß das Tor einen Zwinger in Richtung des Stadtgrabens und war zur Stadtseite hin vollständig offen. Vor dem eigentlichen Durchgang befand sich ein größerer ummauerter Bereich mit Wehrgang und einem niederen Vortor, das durch eine Zugbrücke gesichert war. Diese Konstruktion machte es Angreifern nahezu unmöglich, das Tor im Sturm zu nehmen.

Die ersten Reisenden, die dieses imposante Befestigungswerk erblickten, mussten einen beeindruckenden Eindruck von der Macht und dem Reichtum der Stadt Freiburg bekommen haben. Wer nach langer Reise aus dem Schwarzwald oder dem Dreisamtal kommend das Tor passierte, fand innerhalb der Stadtmauern alles Notwendige – vom Gasthaus „Zum roten Bären“ (erstmals 1133 erwähnt und damit eines der ältesten Gasthäuser Deutschlands) bis hin zu Hufschmieden und Stallungen.

Die Wandlungen – Vom Wehrturm zum Wahrzeichen

Im Laufe der Jahrhunderte erfuhr das Schwabentor zahlreiche bauliche Veränderungen, die seinen Charakter grundlegend wandelten. Die bedeutendsten Umbauten:

  • 1547: Die ursprünglich zur Stadt hin offene Seite wurde mit einer steinernen Wand geschlossen und mit einer Turmuhr ausgestattet.
  • 1572: Ein außenliegender Treppenturm wurde angefügt – heute der Eingang zum Zinnfigurenmuseum.
  • Um 1672: Der Maler Mathäus Schwäri brachte auf der Innenstadtseite das berühmte Bild eines Kaufmanns mit einem Fuhrwerk an.
  • 1901: Unter dem turmbegeisterten Oberbürgermeister Otto Winterer wurde das Schwabentor nach Plänen von Carl Schäfer von etwa 26 auf 65 Meter erhöht und mit einem Treppengiebel im Stil norddeutscher Stadttürme versehen.
  • 1903: Fritz Geiges fügte auf der Außenseite das Bild des Freiburger Stadtpatrons Sankt Georg als Drachentöter hinzu.
  • 1911-1913: Zum Schlossberg hin wurden umfangreiche Anbauten im Fachwerkstil mit einem zweiten Durchlass hinzugefügt.
  • 1954: Der Turm wurde auf 42 Meter gekürzt und mit einem dem ursprünglichen Zustand ähnelnden Zeltdach samt kleinem zwiebelförmigen Glockenturm versehen.

Diese baulichen Veränderungen spiegeln die wechselnden architektonischen Vorlieben, aber auch die veränderten Funktionen des Tores wider. Vom reinen Wehrbau entwickelte sich das Schwabentor zu einem repräsentativen Bauwerk und schließlich zu einem Wahrzeichen der Stadt.

Die Legende vom Schwaben

Das Schwabentor verdankt seinen Namen nicht nur der geografischen Ausrichtung, sondern auch einer charmanten Legende, die sich um das im 17. Jahrhundert angebrachte Gemälde rankt. Die Sage, die im 19. Jahrhundert entstand, erzählt von einem Schwaben, der mit zwei Fässern voller Gold nach Freiburg kam, um die Stadt zu kaufen.

Er wurde von den Freiburgern ausgelacht, doch das Gelächter wurde noch größer, als sich herausstellte, dass die Fässer nur Sand und Kieselsteine enthielten. Seine Frau hatte vor seiner Abreise heimlich das Gold gegen die wertlose Füllung ausgetauscht. Eine andere Version besagt, dass der Schwabe das Gold für den Münsterbau spenden wollte, bevor seine geizige Frau eingriff.

Dieses Gemälde wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach restauriert und überarbeitet, unter anderem von Simon Göser in der Barockzeit, später von Dominik Weber (1850), Ernst Fey (1903) und Wilhelm Hanemann (1929).

Das Schwabentor heute – Ein lebendiges Kulturdenkmal

Heute präsentiert sich das Schwabentor als lebendiges Denkmal, das von der Straßenbahn durchfahren wird – eine faszinierende Verbindung von historischem Erbe und modernem Stadtleben. Es ist damit eines von nur vier historischen Stadttoren im deutschsprachigen Raum, die von Straßenbahnen durchfahren werden, neben dem Martinstor in Freiburg, dem Nauener Tor in Potsdam und dem Käfigturm in Bern.

Das Schwabentor steht auf der Grenze der Innenstadt-Fußgängerzone Oberlinden und wird regulär nur stadtauswärts durch die Straßenbahnlinie 1 durchfahren. Stadteinwärts ist die Durchfahrt für Straßenbahnen, Fahrräder, Taxis und den Lieferverkehr durch das Tor des östlich anschließenden Anbaus möglich, während der Kfz-Verkehr stadtauswärts westlich am Tor vorbeigeführt wird.

Seit 1969 beherbergt der Turm auf drei Stockwerken ein kleines privates Museum, die „Zinnfigurenklause“. In kunstvoll gestalteten Dioramen werden mit etwa 10.000 handbemalten Zinnfiguren Szenen vor allem aus den Freiheitsbewegungen im süddeutschen Raum dargestellt. Die Themen reichen von der Schlacht bei Sempach (1386) über die Bauernkriege und die Reformation bis hin zur Revolution von 1848. Besonders bemerkenswert ist die Szene am Schwabentor, die den Sturm auf Freiburg am Ostermontag 1848 zeigt.

Das Museum, das vollständig von dem ehrenamtlich wirkenden „Freundes- und Förderkreis der Zinnfigurenklause“ betrieben wird, ist allerdings nur in den Sommermonaten (von Mitte Mai bis Anfang Oktober) geöffnet, da die Räume nicht beheizt werden können.

Architektonische Besonderheiten

Das Schwabentor besticht durch seine architektonische Vielfalt, die aus den zahlreichen Um- und Anbauten resultiert. Der Turm vereint Elemente aus verschiedenen Epochen, von der mittelalterlichen Grundsubstanz bis hin zu historistischen Ergänzungen des frühen 20. Jahrhunderts.

Besonders charakteristisch sind die beiden Gemälde: Auf der Stadtseite der Schwabe mit seinem Fuhrwerk, auf der Außenseite der heilige Georg im Kampf mit dem Drachen. Diese Bilder sind nicht nur dekorative Elemente, sondern spiegeln die Identität und die Werte der Stadt wider – Handel und Schutzpatronschaft.

Das Schwabentor:

Das Schwabentor in Freiburg ist weit mehr als nur ein historisches Bauwerk oder ein beliebtes Fotomotiv für Touristen. Es ist ein Symbol für die reiche Geschichte der Stadt, ein Zeugnis wechselnder architektonischer Stile und ein Ort lebendiger Überlieferung.

Von seiner Entstehung als Wehrturm über seine Umgestaltung im Geist des Historismus bis hin zu seiner heutigen Funktion als Verkehrsweg und Museumsstandort verkörpert das Schwabentor den steten Wandel bei gleichzeitiger Bewahrung des historischen Erbes. Es ist ein Ort, an dem Geschichte nicht nur betrachtet, sondern erlebt werden kann – sei es durch die Begegnung mit der beeindruckenden Architektur, die Betrachtung der historischen Gemälde oder den Besuch der Zinnfigurenklause.

Wer das nächste Mal Besuch in Freiburg empfängt, kann nun bei einem Stadtspaziergang mit diesem „Angeberwissen“ glänzen und einen tieferen Blick auf dieses faszinierende Stück Stadtgeschichte werfen.

Von BSF

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