Wieviel Deutsche setzen Auswanderungsgedanken wirklich um?
Deutschland gilt als Einwanderungsland – doch wie viele Deutsche kehren ihrer Heimat den Rücken? Ein Blick auf die aktuellen Zahlen zeigt überraschende Trends.
Der Traum vom Leben im Ausland beschäftigt viele Deutsche. Doch während in den Medien oft über Zuwanderung nach Deutschland diskutiert wird, bleibt die deutsche Auswanderung meist im Schatten. Dabei verlassen jährlich hunderttausende Deutsche ihre Heimat – ein Phänomen, das durchaus beachtliche Dimensionen hat.
Die Zahlen im Überblick: Deutschland 2023
Im Jahr 2023 wanderten insgesamt rund 1,27 Millionen Menschen aus Deutschland aus – eine Zahl, die etwa dem Niveau des Vorjahres entspricht. Doch diese Gesamtzahl erzählt nur die halbe Geschichte: Von diesen 1,27 Millionen Auswanderern waren lediglich 265.000 deutsche Staatsangehörige, während gut eine Million Ausländer das Land verließen.
Die deutsche Auswanderungsrate liegt damit bei etwa 0,4 Prozent der deutschen Bevölkerung – das entspricht vier von tausend Deutschen, die jährlich auswandern. Zum Vergleich: Bei ausländischen Staatsangehörigen ist diese Rate deutlich höher, was hauptsächlich daran liegt, dass viele Zuwanderer nach einiger Zeit wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehren oder in andere Länder weiterziehen.
Der historische Trend: Langsamer, aber stetiger Anstieg
Seit den 1960er Jahren wandern jährlich zwischen 0,6 und 1,6 Prozent der Bevölkerung Deutschlands ins Ausland ab. Für deutsche Staatsangehörige zeigt sich seit den 1990er Jahren eine langsam ansteigende Auswanderungsrate. Besonders auffällig ist jedoch der sprunghafte Anstieg von 0,2 auf 0,4 Prozent im Jahr 2016 – allerdings handelt es sich hierbei hauptsächlich um ein statistisches Artefakt aufgrund veränderter Erfassungsmethoden beim Statistischen Bundesamt.
In den zehn Jahren von 2014 bis 2023 wanderten insgesamt 2.350.916 Deutsche aus – eine beachtliche Zahl, die das Ausmaß der deutschen Emigration verdeutlicht.
Die beliebtesten Zielländer: DACH-Region dominiert
Deutsche Auswanderer haben klare Präferenzen bei der Wahl ihres neuen Heimatlandes. Die Top 3 der beliebtesten Zielländer für deutsche Auswanderer 2023:
1. Schweiz: Der Spitzenreiter
Über 315.000 Deutsche leben aktuell in der Schweiz (Stand 2023), was einem Anstieg von 1,5 Prozent gegenüber 2022 entspricht. 2023 wanderten 20.973 Deutsche in die Schweiz aus. Die geografische Nähe, fehlende Sprachbarrieren und attraktive Arbeitsbedingungen machen die Schweiz zur Nummer eins unter den deutschen Auswanderungszielen.
2. Österreich: Der treue Zweite
Etwa 225.000 deutsche Staatsbürger haben ihren Wohnsitz in Österreich. Auch hier spielen die gemeinsame Sprache und kulturelle Nähe eine entscheidende Rolle.
3. USA: Das außereuropäische Ziel
Die Vereinigten Staaten belegen als einziges nicht-europäisches Land den dritten Platz bei den beliebtesten Auswanderungszielen deutscher Staatsangehöriger.
Die weiteren Plätze belegen Spanien (mit über 125.000 Deutschen, allerdings mit einem Rückgang von 11,8 Prozent gegenüber 2022), Frankreich, Türkei, Großbritannien, Polen, Niederlande und Italien.
Deutschland vs. Ausländer: Unterschiedliche Auswanderungsmuster
Ein interessanter Aspekt zeigt sich beim Vergleich der Zielländer verschiedener Bevölkerungsgruppen:
Deutsche wandern bevorzugt nach:
- Schweiz, Österreich, USA
- Klassische englischsprachige Ziele wie Großbritannien
- Andere europäische Nachbarländer
Ausländer wandern hingegen hauptsächlich nach:
- Rumänien (13,6 Prozent aller Auswanderer 2023)
- Bulgarien, Polen
- Oft in ihre ursprünglichen Herkunftsländer zurück
Der negative Wanderungssaldo bei Deutschen
Während Deutschland insgesamt eine positive Wanderungsbilanz aufweist, sieht es bei deutschen Staatsangehörigen anders aus: Deutschland hat bezogen auf deutsche Staatsbürger einen negativen Wanderungssaldo. Das bedeutet, dass jedes Jahr mehr Deutsche auswandern als aus dem Ausland nach Deutschland zurückkehren.
Im Jahr 2023 verließen etwa 80.000 Deutsche mehr das Land, als im selben Zeitraum zurückkehrten. Über einen Zeitraum von zehn Jahren (2013-2022) entspricht dies einem Nettoverlust von durchschnittlich rund 58.000 Personen jährlich.
Corona-Effekt und aktuelle Entwicklungen
Die COVID-19-Pandemie hatte erhebliche Auswirkungen auf die Migrationsbewegungen. Im Jahr 2020 ging die Zahl der Fortzüge aus Deutschland deutlich zurück – bei ausländischen Personen um etwa 22 Prozent im Vergleich zu 2019. Reisebeschränkungen und erschwerte Bedingungen für internationale Mobilität führten dazu, dass viele ihre Auswanderungspläne verschoben.
Nach 2020 zeigte sich jedoch eine Erholung: Die Migrationszahlen näherten sich wieder dem Niveau vor der Pandemie an, wobei sich neue Trends entwickelten, wie die zunehmende Bedeutung digitaler Nomadentums und Remote-Arbeit.
Die Motive: Warum wandern Deutsche aus?
Forschungsergebnisse zeigen, dass die Hauptmotive deutscher Auswanderer sind:
- Berufliche Perspektiven (60 Prozent der auswanderungswilligen Männer und 40 Prozent der Frauen)
- Neugier auf neue Erfahrungen und interkulturelle Kompetenzen
- Familiäre Gründe
- Ruhestand im Ausland (etwa ein Viertel der potenziellen Auswanderer)
- Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten (besonders bei jungen Menschen)
Interessant: Unzufriedenheit mit Deutschland spielt keine nennenswerte Rolle bei der Auswanderungsentscheidung.
Hochqualifizierte im Fokus
Ein besonders bemerkenswerter Aspekt: Deutschland ist mit 1,2 Millionen Hochqualifizierten das fünftwichtigste Herkunftsland für besonders gut ausgebildete Auswanderer weltweit. Die Auswanderungsquote der Hochqualifizierten lag 2011 bei 9 Prozent und damit doppelt so hoch wie beim Durchschnitt der Bevölkerung.
40 Prozent der deutschen Auswanderer arbeiten in Berufen mit hohem Qualifikationsniveau – wesentlich häufiger als in Deutschland selbst.
Auswanderung aus Deutschland will gut vorbereitet sein
Wer aus Deutschland auswandern will, sollte sich gut vorbereiten, dann gelingt die Auswanderung auch. Dazu gibt es zahlreiche Auswanderungs-Ratgeber, wie z.B. hier: Auswandern nach Gran Canaria
Rückkehr und Perspektiven
Nicht alle Auswanderung ist dauerhaft: 40 Prozent der deutschen Auswanderer würden nach Deutschland zurückkehren, und tatsächlich kehren die allermeisten deutschen Auswanderer nach einigen Jahren wieder zurück. Sie bringen dabei neue Ideen, Erfahrungen und interkulturelle Kompetenzen mit, von denen die deutsche Wirtschaft profitiert.
Fazit: Ein überschaubares, aber stabiles Phänomen
Die deutsche Auswanderung ist ein stabiles, aber zahlenmäßig überschaubares Phänomen. Mit etwa 265.000 deutschen Auswanderern pro Jahr und einer Auswanderungsrate von 0,4 Prozent bewegt sich die Emigration in einem moderaten Rahmen.
Aktuell leben rund 3,8 Millionen Deutsche im Alter von über 15 Jahren im Ausland – das entspricht etwa 5 Prozent der in Deutschland lebenden Deutschen dieser Altersgruppe.
Die Zahlen zeigen: Deutschland bleibt attraktiv, auch wenn ein konstanter, wenn auch kleiner Teil der Bevölkerung das Land verlässt. Die Motive sind dabei meist positiv – die Suche nach neuen Chancen und Erfahrungen, nicht die Flucht vor deutschen Verhältnissen.
Quellen:
- Statistisches Bundesamt (Destatis): Wanderungsstatistik 2023
- Bundeszentrale für politische Bildung: Auswanderung aus Deutschland 2024
- Deutsche im Ausland e.V.: Auswanderungstrends und Zahlen 2023
- Mediendienst Integration: Migration – Wer kommt, wer geht? 2024
Symbolbild: KI generated