Beziehung ambulant nicht mehr stationär - Aline Vauclair

Wenn Liebe zum Teilzeitjob wird

Freiburg. Der Joghurtbecher steht noch immer auf dem Couchtisch, obwohl der Partner längst ins Bett gegangen ist. Die Wäsche türmt sich ungebügelt im Schlafzimmer. Szenen wie diese kennen viele Paare – doch immer häufiger führen sie nicht mehr zu stillen Kompromissen, sondern zum grundsätzlichen Hinterfragen des Zusammenlebens. Die Freiburger Autorin Aline Vauclair hat dieses gesellschaftliche Phänomen in ihrem neuen Buch „Beziehung nur noch ambulant, nicht mehr stationär“ unter die Lupe genommen.

„Wir erleben einen fundamentalen Wandel in der Art, wie Menschen Partnerschaft verstehen und leben“, erklärt Vauclair. In ihrer Analyse zeigt sie auf, dass sich eine wachsende Zahl von Menschen bewusst gegen das traditionelle Modell des Zusammenziehens und der dauerhaften Lebensgemeinschaft entscheidet. Stattdessen bevorzugen sie flexible Beziehungsformen, die mehr Autonomie und weniger alltägliche Verpflichtungen mit sich bringen.

Besonders Frauen, die beruflich stark eingespannt sind, sehen sich laut Vauclair zunehmend nicht mehr in der Rolle der Haushaltsmanagerin. „Viele haben schlicht keine Lust mehr darauf, nach einem achtstündigen Arbeitstag auch noch den Großteil der häuslichen Pflichten zu übernehmen“, so die Autorin. Die klassische Rollenverteilung, bei der Frauen unbezahlte Care-Arbeit leisten, während Männer sich auf den Beruf konzentrieren, stößt in einer Zeit der Gleichberechtigung auf immer weniger Akzeptanz.

Doch auch bei Männern beobachtet Vauclair eine veränderte Haltung. Viele seien nicht mehr bereit, in Partnerschaften die traditionell erwartete Rücksichtnahme zu zeigen oder sich in ihren Gewohnheiten einschränken zu lassen. „Es geht um individuelle Freiheit versus Kompromissbereitschaft“, fasst die Autorin den Konflikt zusammen.

Die Folgen dieses Trends sind vielschichtig. Einerseits ermöglicht er Menschen mehr Selbstbestimmung und kann toxische Beziehungsdynamiken durchbrechen. Andererseits stellt er etablierte gesellschaftliche Strukturen in Frage – von der Familiengründung bis hin zur Alterspflege. „Wenn sich immer mehr Menschen für ambulante Beziehungen entscheiden, müssen wir als Gesellschaft neue Antworten auf alte Fragen finden“, warnt Vauclair.

In ihrem Buch beleuchtet die Autorin nicht nur die psychologischen und soziologischen Hintergründe dieser Entwicklung, sondern wagt auch einen Blick in die Zukunft. Wird die klassische Lebensgemeinschaft zum Auslaufmodell? Oder handelt es sich nur um eine vorübergehende Gegenbewegung zu traditionellen Beziehungsformen?

„Beziehung nur noch ambulant, nicht mehr stationär“ ist mehr als eine Bestandsaufnahme moderner Partnerschaften. Es ist eine Einladung zur Diskussion über die Zukunft des Zusammenlebens in einer individualisierten Gesellschaft. Ein Buch, das alle zum Nachdenken bringen wird – egal ob sie gerade den Joghurtbecher ihres Partners wegräumen oder ihn demonstrativ stehen lassen.


Aline Vauclair: „Beziehung nur noch ambulant, nicht mehr stationär“ ist im Buchhandel erhältlich.


Von BSF

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