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Erzdiözese Freiburg: Missbrauchsstudie veröffentlicht

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Am heutigen 18.4.2023 hat die Erzdiözese das Ergebnis einer Missbrauchsstudie veröffentlicht, bei der u.a. das Vertuschen von Missbrauchsfällen in den letzten 45 Jahren untersucht wurde.

Das Ergebnis der Arbeitsgemeinschaft ist, dass es zahlreiche Vertuschungen gegeben hat. Positiv ist, dass es unter Erzbischof Burger nicht zu Vertuschungen gekommen ist, zumindest zu keinen aufgedeckten.

Eugen Endress (früher AG Freiburg) begann vor Publikum am Morgen die Veröffentlichung.

Zu den Kernaussagen:

Missbrauchs-Einzelfälle bemerkenswert

Beispielhaft ist ein Pfarrer, der bis in die 2000er-Jahre mindestens 28 Personen (Kinder und Jugendliche) missbraucht haben soll. Die Gesamtzahl der Betroffenen dürfte allerdings größer sein. Der Beschuldigte habe die Kinder und Jugendlichen unter und über der Bekleidung an Geschlechtsteilen berührt, sich dabei teils selbst befriedigt oder oral befriedigen lassen. Der Priester hat das Geschehen Anfang der 2010er-Jahre eingeräumt. Die Taten waren nach deutschem Recht allesamt strafbar. In den Akten fanden sich zunächst keine Hinweise auf die Taten, obwohl es Schreiben von Gemeindemitgliedern gegeben habe. Dr. Zollitsch habe solche Schreiben an seine Privatadresse erhalten, aber nicht aktenkundig gemacht. Der Priester ist mittlerweile gestorben. Der Priester wurde von seinen Pfarreraufgaben entbunden, aber als Pfarradministrator in einer anderen Gemeinde eingesetzt. Beschwerdeführer wurden eingeschüchtert und Vorgänge relativiert („das merkt der Junge doch gar nicht, wenn man ihm in die Hose greift…“).

Der Priester wurde aus „gesundheitlichen Gründen“ vorzeitig pensioniert, für den Priester wurde per Strafbefehl eine Freiheitsstrafe auf Bewährung von unter einem Jahr verhängt, nachdem die Staatsanwaltschaft wegen zwei Fällen ermittelte. Die Erzdiözese kümmerte sich zunächst nicht um die Opfer und machte die anderen Vorwürfe der Staatsanwaltschaft nicht zugänglich. Gegenüber der Staatsanwaltschaft wurden seitens der Erzdiözese nicht wahrheitsgemäße Angaben gemacht.

Mindestens 600 Kinder und Jugendliche als Opfer

Im Erzbistum Freiburg sind nach Betroffenenangaben mindestens 600 Kinder und Jugendliche Opfer von sexueller Gewalt durch Priester und Ordensleute geworden. Es handelt sich also nicht um Einzelfälle. In der Studie hat man herausgearbeitet, dass mehr als 250 Priester und Kleriker zu den Tägern gehören dürften. Von über 540 betroffenen Kindern und Jugendlichen ist mindestens auszugehen. Aufgrund der systematischen Vertuschung dürfte die tatsächliche Zahl deutlich größer sein. Auf mehr als 600 Seiten werden in der Studie auch mehr als 20 konkrete Fälle beschrieben, die anonymisiert wurden.

Erzbischof Burger räumt Versagen ein

Erzbischof Burger räumt Versagen des Erzbistums ein, besonders hätten seine beiden Vorgänger im Amt versagt. Sie hätten damals gegen geltendes Recht verstoßen, beide hätten vorsätzlich gehandelt und wussten um die Bedeutung ihres Handelns. Ein falsch verstandener Chorgeist sei ursächlich für das Fehlverhalten, die Institution Kirche sollte geschützt werden. Die Täter sollten geschützt werden und die Taten verheimlicht werden. Der Blick für die Betroffenen habe zur Gänze gefehlt. Bischof Burger bedankte sich bei den Betroffenen, die den Mut hatten, Taten anzuzeigen und ermutigte weitere Betroffene, die sich bislang noch nicht gemeldet haben, sich noch zu melden.

Es sei in der Vergangenheit oft unterlassen, strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten, damit wurde dem Unheil weiterer Raum gegeben und weiterer Missbrauch ermöglicht.

Stephan Burger war von 2007 bis 2014 sogenannter Offizial und damit Kirchengerichtsleiter in der Erzdiözese Freiburg. In dieser Zeit hat er sich durch konsequentes Wegsehen und Wegducken keine Lorbeeren eingesammelt, so Kritiker. Burger selbst bat im Anschluss an die Veröffentlichung der Missbrauchsstudie um Verzeihung

Seit 2019 ermittelt

Obwohl der aktuelle Bischof, Stephan Burger seit 2014 im Amt ist, wurde erst 2019 mit der Studie begonnen. Die Arbeitsgemeinschaft Aktenanalyse, die mit vier externen Fachleuten aus Polizei und Justiz besetzt war, nahm erst in 2019 die Arbeit auf und wurde zwischenzeitlich durch Corona ausgebremst. In Corona-Hochzeiten verzichtete man auf persönliche Gespräche und Befragungen, aber insgesamt konnten doch 400 Befragungen durchgeführt werden und 1000 Protokolle der diözesanen Leitung ausgewertet werden.

Bischof Zollitsch: Meister der Vertuschung

Der ehemalige Erzbischof Zollitsch, der kurz vor der Veröffentlichung Studie seinen Wohnort wechselte und aus Freiburg weggezogen ist, hatte im Vorfeld eine Schuld eingeräumt, auch wenn er diese in einem selbst veröffentlichten Video mehrfach relativierte.

Robert Zollitsch ist nicht irgendwer

Zollitsch, der von 2003 bis 2014 das Erzbistum Freiburg leitete, ist nicht irgendein Provinz-Bischof, sondern war von 2008 bis 2014 auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. „Fisch fängt am Kopf an zu stinken“ wird aus Opferkreisen daher laut. Da nützt es nichts, wenn er sich in einem Video entschuldigt und aus der Stadt wegzieht, in der er so viele Fehler gemacht hat. Die Betroffenen leiden oft ein ganzes Leben unter dem Missbrauch. Zollitsch erhält weiter seine ungekürzten Versorgungsbezüge und führe ein sorgenfreies Leben. Ob er sich tatsächlich Selbstvorwürfe macht, ist nicht bekannt. Er ließ im Vorfeld der Veröffentlichung mitteilen, dass er die Veröffentlichung nicht kommentieren werde.

Zollitsch, der lange in Münsternähe gewohnt habe, ist vor kurzem nach Mannheim gezogen – in eine Einrichtung für betreutes Wohnen. Begründet hat er den Umzug damit, dass seine Wohnung in der Freiburger Innenstadt aus Alters- und Gesundheitsgründen zunehmend ungeeignet gewesen sei. Warum er dann allerdings nicht in eine Einrichtung für betreutes Wohnen in Freiburg umgezogen ist, verschweigt der ehemalige Bischof aus Freiburg.

Robert Zollitsch stammt ursprünglich aus dem ehemaligen Yugoslawien, wo er 1938 in Filipovo (heute: Serbien) geboren wurde. Seine Familie floh 1945/1946 über Ungarn nach Westdeutschland.

Wer Missbrauch deckt, erhält einen Orden – oder gleich mehrere:

Robert Zollitsch, der zahlreiche Missbrauchsopfer nicht ernst nahm und Missbrauchstäter deckte, erhielt 2014 das große Bundesverdienstkreuz mit Stern, welches ihm von Bundespräsident Joachim Gauck verliehen wurde. Zuvor hatte er für seine „Verdienste“ in 2014 die große Staufermedaille in Gold erhalten. Das Land Baden-Württemberg fand das Wirken von Robert Zollitsch so wunderbar, dass man 2011 den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg verlieh.

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